Im Allgemeinen wird die Epoche des Rokoko von ca. 1720 bis 1770 datiert und gilt als Fortführung des pompösen Barock;
der Modestil dieser Zeit allerdings, hielt ein paar Jährchen länger durch und bis zum Ausbruch der Französischen Revolution 1789, bei der Frankreich sich seines ungeliebten Königspaares auf dem Schafott entledigte, kleideten sich die Damen und Herren weiterhin in die Robe Volante, beziehungsweise in Culotte, Weste und Justaucorps.
Die Epoche des Rokoko teilt sich noch einmal in drei Zeitabschnitte ein. Man unterscheidet zwischen dem frühen Rokoko, dem Hochrokoko und dem Spätrokoko.
Das frühe Rokoko wird so zwischen 1720 und 1750 datiert. Zu dieser Zeit kam für die Damenwelt die „Robe Volante“ in Mode. Für dieses Kleidungsstück gab es unzählige Namen. Man bezeichnete das mantelähnliche Damengewand mit den von den Schultern herabfallenden, großen „Watteaufalten“ (benannt nach dem Maler Antoine Watteau, der diesen Faltenwurf gerne in seinen Bilder verewigte) auch als Andrienne oder Adrienne, Schlender, Robe Battante, Robe Innocente oder Robe à la française. Natürlich gehörte zu den Unmengen an Stoff, die die Damen mit sich herumschleppten auch ein Reifrock, der die wallenden Stoffbahnen aufspreizte und die ganze Konstruktion erst in Form brachte. Je nach Modeströmung hat er sich seine Form in den Jahrhunderten immer ein wenig verändert. Zur Zeit des frühen Rokoko waren sie kuppelförmig und vorne und hinten abgeflacht. So sollten besonders breite und fruchtbare Hüften simuliert werden, mit denen die holde Weiblichkeit allerdings nur noch seitwärts durch die Türen kam. Über den Reifrock wurde ein langer Rock gestreift und darüber trugen die Damen die mantelähnliche Robe, die vorne offen getragen wurde, so daß die Schnürbrust sichtbar blieb. Zu dem Kleid gehörten Ärmel, die bis zum Ellbogen reichten mit aufgesetzten Ärmelaufschlägen.
Die Herren trugen zu dieser Zeit einen vollständigen Anzug bestehend aus der „Culotte“ (einer Kniehose), einer Weste und dem „Justaucorps“ (dem Gehrock). Die Kniehose war um den Hosenboden herum ziemlich weit geschnitten, damit der Herr gut sitzen und Reiten konnte. Dafür wurde sie am unteren Oberschenkel und am Knie um so enger. An der engsten Stelle unterhalb des Knies wurde das Knieband mit einer Schnalle verschlossen. Den restlichen Teil des Beines bedeckte ein Seidenstrumpf, der knapp unter dem Knie von einem Strumpfband am Herunterrutschen gehindert wurde.
Die Weste reichte fast bis ans Knie und besaß kleine Taschen. Zu Beginn hatten diese Westen noch Ärmel, die allerdings mit der Zeit verschwanden, da der feine Herr niemals ohne Gehrock das Haus verlassen hätte. Also verschwanden die Ärmel und auch der Rückenteil der Weste wurde, da man ihn ja eh nie zu Gesicht bekam, aus einem günstigeren Leinenstoff hergestellt und auch nicht so reichlich verziert wie die Vorderseite. Der hintere Teil der Weste war von den Schulterblättern bis bis runter zum Saum aufgeschlitzt, so dass man mithilfe einer Schnürung die Weite regulieren konnte. So konnte man das gute Stück selbst dann noch tragen, wenn man nach dem letzten Festbankett etwas zugenommen hatte.
Als Unterbekleidung trug der Herr ein Hemd aus Leinen mit Kragen, das bis zur Mitte des Oberschenkels reichte und in der Hose verschwand. Die langen Ärmel reichten bis zum Handgelenk und hatten Manschetten.
Der Justaucorps, also der Gehrock vollendete das Ensemble schließlich. Der enge und kragenlose Rock hätte theoretisch mit seinen vielen hübschen Knöpfen vom Hals bis zu den Knien problemlos zugeknöpft werden können. Wie man allerdings auf zahlreichen Gemälden aus dieser Zeit sehen kann, trug der Herr den Rock lieber die ganze Zeit offen. Die langen Ärmel hören ein gutes Stück vor dem Handgelenk auf um Platz für eventuelle Rüschen zu lassen, mit denen das Unterhemd verziert ist. Dafür reichen die weiten Ärmelaufschläge meist bis weit über den Ellbogen hinaus. Auf Höhe der Hüften sitzen die Taschen, die von großen, reichlich verzierten Klappen mit Knopfverschluss bedeckt werden.
Zwischen 1750 und 1770, der Zeit des Hochrokoko, führten die Damen ihre Modelinie weitestgehend fort, mit dem kleinen Unterschied, daß bei der Herstellung die Schnittmuster jetzt etwas kleinteiliger wurden. Die Kleider wurden jetzt aus mehreren kleineren Stücken statt aus einem großen Stoffteil zusammengenäht, was eine stärkere Taillierung ermöglichte. Die Stickereien verschwanden und machten aufwendigen, aufgesetzten Dekorationen in Form von gerüschten und gefalteten Volants, jeder Menge Schleifen, Troddeln und anderem Zierrat in allen Größen platz. Und auch die Ärmelaufschläge verloren ihre Steifheit . Dafür umspielten jetzt bogig geschnittene und bis zu dreilagige Ärmelvolants die Unterarme der holden Damen. Der breite Reifrock macht einer etwas kleineren und bequemeren Variante Platz und wird nur noch bei Hofe oder zu besonderen Gelegenheiten aus der Kleiderkiste geholt.
Auch die Herren behielten ihren dreiteiligen Anzug, der sich ebenfalls in Form und Schnitt etwas veränderte. Die Weste wurde nun kürzer und reichte nur noch bis zur Hüfte. Die geraden bis leicht gebogenen Vorderkanten knickten jetzt deutlich in Höhe der Hüfte nach außen und die ein oder andere Weste konnte sogar mit zwei Reihen glänzender Knöpfe aufwarten.
Dadurch, dass die Weste nun kürzer war, gab sie ungünstigerweise den Blick auf den Hosenschlitz der Kniehose frei, was zur Entwicklung der „Bavaroise“ führte. Einer Verschlussklappe, die große Ähnlichkeit mit dem Verschluss der bayrischen Lederhose hatte … daher wohl auch der Name.
Was den Rock anging, so wurden die Schöße kleiner und waren nicht mehr ganz so steif, die Ärme gewanen an Länge und durften nun bis zum Handgelenk reichen. Dafür wurde dann bei den Ärmelaufschlägen gespart. Die wurden nur noch handbreit zugeschnitten und waren kaum mehr weiter als der Ärmel selbst. Auch die Vorderkanten des Rocks wurden sparsamer zugeschnitten, so dass er sich nicht mehr komplett von oben bis unten zuknöpfen ließ. Jetzt ließ er sich nur nur bis zur Brust zuknöpfen und das Bäuchlein mit der chicken Weste darunter konnte rausgucken...
Zusätzlich schmückte den Rock auch immer öfter ein Umlegekragen oder ein niedriger Stehkragen.
Im Spätrokoko schließlich, zwischen 1770 und 1794 entdeckte der Adel die Liebe zur Natur, beziehungsweise zum weniger steifen Leben auf dem Land und fürs Reiten, Spazierengehen und Ausflüge ins Grüne. Daher verzichtete man zunehmend auf hinderliche Kleidung und die englische Version des Manteau, die „Robe à l’anglaise“, löste das französische Manteau ab.
Die „Anglaise“, wie die Damen sie jetzt vorzugsweise trugen, konnte vorne mittig mit Haken und Ösen verschlossen werden. Auch auf den hinderlichen Reifrock wurde verzichtet und die Damen ersetzten ihn durch ein bequemes Polster, das auf dem Hinterteil auflag.
Die Herren hatten mit der Bequemlichkeit weniger Probleme, aber auch ihre Kleidung änderte sich leicht. Die Weste wurde noch ein Stückchen kürzer und hatte immer öfter zwei Reihen Knöpfe.
Die unteren Vorderkanten des Justaucorps wurden noch stärker weggeschnitten. Auch den Rock konnte man jetzt mit Haken und Ösen verschließen, allerdings nur noch über der oberen Brust. Die großen und aufwendig verzierten Knöpfe und die schön bestickten Knopflöcher dienten nur noch der Zierde. Der Stehkragen wurde höher und das Revers breiter. Rock und Weste wurden gerne mit aufwendiger, floraler Stickerei verziert.
Mit Beginn der Französischen Revolution 1789 nahm der Rokoko ein abruptes Ende. Nachdem die Franzosen ihre Monarchen abgesetzt hatten, war in der Bevölkerung auch alles verpönt, was irgendwie an die alten Herrscher erinnerte und so wurden die schönen Kleider „eingemottet“. Eigentlich schade, denn alles was danach kam, war genau so wirr und schnelllebig, wie die Revolution selbst.
Text: Nadja von der Hocht
Titelbild: Portrait der Madame de Pompadour, 1756, gemalt von François Boucher
François Boucher, Public domain, via Wikimedia Commons
Foto frühes Rokoko: Gemälde „Die Liebeserklärung“ von Jean François de Troy 1731
Jean François de Troy, Public domain, via Wikimedia Commons
Foto Hochrokoko Damen: Portrait der Prinzessin Elisabeth von Sachsen, 1755, gemalt von Pietro Rotari
Pietro Rotari, Public domain, via Wikimedia Commons
Foto Hochrokoko Herren: Portrait des John Hancock, 1765, gemalt von John Singleton Copley
John Singleton Copley, Public domain, via Wikimedia Commons
Foto Spätrokoko: Mr and Mrs William Hallett ('The Morning Walk') , 1785, gemalt von Thomas Gainsborough
Thomas Gainsborough, Public domain, via Wikimedia Commons