Windsor Castle, OstflügelWWindsor Castle – auf das größte durchgängig bewohnte Schloss der Welt sind in diesen Tagen wieder alle Blicke gerichtet, denn dort fand nun die am längsten amtierende Monarchin der jüngeren Geschichte, Elisabeth II. ihre letzte Ruhestätte.
Das Schloss liegt in der südlich von England gelegenen Grafschaft Berkshire, 35 Kilometer von der Hauptstadt London entfernt und ist die Zierde der Stadt Windsor. Daher auch schlichterdings der Name der riesigen und geschichtsträchtigen Anlage.

Der Bau des „Englischen Versailles“, wie Schloß Windsor auch gerne genannt wird, fing im 11. Jahrhundert ganz bescheiden als einfache Holzburg an, die Wilhelm der Eroberer (1027/28 - 1087) ab 1078 auf dem Grundstück errichten ließ, daß er zuvor den Mönchen von Westminster Abbey abgekauft hatte. Sein Sohn Heinrich I. (um1068 – 1135) ließ später die ersten Steinhäuser errichten.
Die ersten moderneren Befestigungen wie den Zapfenstreich-Turm (Curfew Tower) entstanden während der 56-jährigen Regierungszeit Heinrichs III. (1207 – 1272).
Eduard III. (1312 – 1377) schließlich, einer der bedeutendsten englischen Herrscher des Mittelalters, war anscheinend kein Freund von Anbauten, denn er ließ die alte Burg, die unter Wilhelm dem Eroberer errichtet worden war, abreißen und ersetzte sie durch die bekannte, königliche Residenz, deren Grundriß bis heute nicht mehr verändert wurde. Das umfangreiche Umbauprogramm sollte 24 Jahre andauern, in denen unter anderem der Runde Turm, den Heinrich III. errichten ließ, durch den, der heute noch so imposant in den Himmel ragt, ersetzt wurde.
Den gigantischen Palast auf einem einzigen Bildnis darzustellen, ist genauso schwierig, wie die Entscheidung, welche der prunkvollen Fassenden denn nun die Schönste ist. Das gleiche Problem hat man mit Schloß Versailles, das mit ähnlichen Dimensionen aufwartet, daher wohl auch der Vergleich der beiden Schlößer.
Fast jeder König, der dort lebte, hat an dem Gebäude in irgendeiner Form seine Handschrift dort hinterlassen und direkt Einfluß auf die Entwicklung und die Konstruktion genommen. Im Laufe der Zeit diente das Gebäude den Bewohnern entweder als Wohnhaus und offizieller Palast oder auch als Garnison, Festung und sogar Gefängnis.
In Kriegszeiten wurden die Mauern immer stärker befestigt, während in Friedenszeiten dem Schloß immer wieder schöne, große und prächtige Räume hinzu gefügt wurden. Je nach den geschmacklichen Vorlieben was den Baustil betrifft, den politischen Erfordernissen und natürlich der finanziellen Möglichkeiten des jeweils amtierenden Monarchen, unterlag die Anlage in den vergangenen eintausend Jahren durchweg einem stetigen Wandel. Trotzdem umschließt die Schloßanlage noch immer den künstlich errichteten Erdhügel, auf dem Wilhelm der Eroberer damals den Grundstein in Form der ersten hölzernen Burg errichten ließ und auf dem heute das weithin sichtbare Wahrzeichen des Schlosses steht: der steinerne runde Turm.
Luftbild Windsor CastleDer runde Turm in der Mitte, die „Motte“ oder auch „Turmhügelburg“, unterteilt das Schloß in zwei unterschiedliche Höfe: im unteren Hof befindet sich unter anderem die St. George´s Chapel, die der Königsfamilie als Grabstätte dient und in der schon zahlreiche Hochzeiten und Taufen stattfanden. Auch Elisabeth II. hat dort neben ihrem Gemahl Prinz Philipp, ihrer Schwester Prinzessin Margaret, ihren Eltern und zahlreichen Amtsvorgängern der letzten Jahrhunderte ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Im oberen Hof befinden sind die königlichen Staats- und Privatgemächer. In den Staatsgemächern ist die  St.-Georgs-Halle untergebracht, deren Decke mit den Wappentafeln der früheren und heutigen Rittern des Hosenbandordens ausgeschmückt ist. Der Hosenbandorden ist einer der angesehensten Europas und der exklusivste Orden, den Großbritannien zu bieten hat. Er wurde 1348 von König Eduard III. gestiftet und ist bis heute der ranghöchste Ritterorden.
Außerdem gibt es eine Gemäldeausstellung und den Queen´s Ball Room, in denen Werke von Leonardo da Vinci, Michelangelo, Rembrandt, Rubens und Van Dyck, sowie diverse Ritterrüstungen zu bewundern sind.
Während den Regierungszeiten der vielen Herrscher, die im Laufe der Zeit kamen und gingen wandelte sich die kleine und schmucklose Festung langsam aber sicher zum repräsentativen Palast. Es war wieder Eduard III. der während seiner Amtszeit im 14. Jahrhundert damit begann, die Festung nach und nach etwas komfortabler zu gestalten.
Sein späterer berühmt-berüchtigten Nachfolger Heinrich VIII. (der mit dem hohen Verschleiß an Ehefrauen), der sich selbst sehr in der Rolle des Kriegerkönigs gefiel, vernachlässigte dabei nicht den Gedanken an eine Festung und gestaltete um 1510 den Haupteingang des Schlosses neu. Er platzierte es so, daß im Falle eines Angriffs, der Feind nach Erstürmung des Tores nun einen anstrengenden Kampf bergauf führen musste.
Seine Tochter Elisabeth I., die nach einigem Gerangel später Englands Thron bestieg, hielt Schloß Windsor für den sichersten Ort in ihrem ganzen Königreich und verbrachte viel Zeit hinter seinen Mauern, was sie allerdings nicht davon abhielt, ebenfalls ihren Beitrag zur Umgestaltung zu einer bequemeren Residenz zu leisten. Zu ihrer Zeit entstand die Nordterrasse mit einer überdachten Galerie, die heute als frühes Beispiel eines Wintergartens immer noch weitgehend in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben ist.
Die nächste bedeutende Umgestaltung fand Mitte des 17. Jahrhunderts statt, nachdem das Gebäude lange Zeit unverändert geblieben war. Karl II. (1630 – 1685) nahm die Errichtung des französischen Prunkschlosses Versailles zum Anlass, sein eigenes Schloß ebenfalls etwas „angeberischer“ zu gestalten und ließ die 4,8 Kilometer lange und 80 Meter breite Allee, „The Long Walk“ südlich des Schlosses anlegen. Außerdem ließ er die königlichen Gemächer umbauen und mit Deckengemälden, Schnitzereien, Wandteppichen und noch mehr Gemälden ausstatten, die den Grundstock für die heutige königliche Sammlung, die „Royal Collection“ bildeten.
Fenster mit gotischem SpitzbogenNach dem Tod Karls II. Bevorzugten es einige Monarchen auf anderen Schlössern zu leben und die Erhaltung des Schlosses wurde längere Zeit vernachlässigt. Erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts, während der Regierungszeit König Georg III. wurde das Schloß wieder vollständig bewohnt, da der Monarch stolzer Vater von 13 Kindern war und nirgends im Königreich eine größere Residenz zu finden war, in der die ganze Familie Platz gehabt hätte. Georg III. fand den beliebten klassischen Baustiel aus der Zeit Karls II. allerdings sehr unpassend für so ein uraltes und ehrwürdiges Schloß und ließ daher viele Fenster mit gotischen Spitzbögen versehen, um dem Gebäude wieder seine ursprüngliche, mittelalterliche Erscheinungsform zurück zu geben.
Der nächste Monarch auf Englands Thron war Georg IV. Während seiner Herrschaft fanden zwischen 1820 und 1840 die tiefgreifendsten Umbauten in der Geschichte des Schlosses statt. Er ließ sich vom Parlament stolze 300.000 £  bewilligen und beauftragte den Architekten Jeffry Wyatville mit den Umbauten, die zwölf Jahre lang andauern sollten. Dabei wurden der Obere Hof, die privaten Gemächer, der Runde Turm und die Außenfassade des Südflügels vollständig umgestaltet, wodurch die beinahe symmetrische Fassade entstand. Zum ersten Mal wurde bei der Umgestaltung und den An- und Umbauten das Schloß als Gesamtbauwerk betrachtet. Bis dahin glich es eher einer wilden Ansammlung verschiedener Gebäude aus den unterschiedlichsten Epochen mit verschiedenen Baustilen. Der Architekt war ein Freund eindrucksvoller Symmetrien und um der aus Jahrhunderten entstandenen Uneinheitlichkeit entgegenzuwirken, ließ er zu kleine Türme aufstocken, um sie an andere anzugleichen. Die Gebäude am Oberen Hof bekamen eine gotische Fassade mit Zinnenkranz, damit sie besser zu den mittelalterlichen Gebäuden passten und auch die St George´s Chapel wurde diesem Stil angepasst. Der ursprünglich gedrungene Runde Turm ist heute schon von Weitem sichtbar, da er eine zehn Meter hohe Obergeschoßattrappe bekommen hat, der das gesamte Schloß seit dem seine dramatische Silhouette verdankt. Auch die Innenräume beeindrucken seit dieser Zeit im gotischen Stil. Zwar konnte der König die Fertigstellung nicht mehr miterleben, da er 1830 starb, dafür schaffte es der Architekt sein Lebenswerk pünktlich bis kurz vor seinem eigenen Tod im Jahre 1840 zu vollenden.
ReiterstandbildDie nächste Bewohnerin war Königin Victoria. Sie und ihr Mann Prinz Albert machten Schloß Windsor zu ihrer Hauptresidenz und nahmen kaum Umbauten an dem Gebäude vor. Ihre Änderungen betrafen eher die umliegenden Parkanlagen. Sie ließ alte Wege umleiten und machte aus den Parkflächen einen Privatpark für ihre Familie, indem sie die Flächen für die Öffentlichkeit sperren ließ. Als Prinz Albert 1861 viel zu früh verstarb, zog sich die todtraurige Königin für den Rest ihres noch langen Lebens in die Abgeschiedenheit ihres Schlosses zurück, daß sie dann nur noch selten verließ. Die Gemächer des Prinzen durften nicht berührt, geschweige denn umgebaut werden. Alles sollte so bleiben, wie er es kurz vor seinem Tod verlassen hatte. Restaurierungen und Verbesserungen beschränkten sich auf andere Teile des Schlosses. 1866 entstand die Große Treppe in den Staatsgemächern, deren obere Treppenstufen von lebensgroßen Pferdestandbildern mit aufgesessenen Rittern in voller Rüstung dekoriert wurden.
Nachdem König Eduard VII. im Jahr 1901 den britischen Thron bestieg, blieb das Schloß wieder für längere Zeit unbewohnt, da der König ebenso wie seine Nachfolger andere Paläste als Wohnort bevorzugten. Erst beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nahm das Schloß wieder seine Funktion als königliche Festung ein und das amtierende Königspaar König Georg VI. und Königin Elizabeth sowie die beiden Töchter Kronprinzessin Elisabeth und ihre Schwester Prinzessin Margaret lebten nun aus Sicherheitsgründen hinter den pompösen Mauern des uralten Schlosses.
Zuletzt, ab dem Jahr 1952, war Schloß Windsor das offizielle „Wochenendhäuschen“ von Königin Elisabeth II., bis sie an ihrem 80. Geburtstag ihren ständigen Wohnsitz dorthin verlegte. Gestorben ist sie allerdings nicht dort. Ihre letzten Tage auf Erden verlebte die Königin in Schottland auf Balmoral Castle. Von da aus brachte man sie dann in allen Ehren zurück nach Hause, nach Windsor Castle.


Text: Nadja von der Hocht

Beitragsbild: Windsor Castle, Ostflügel
David Watterson (pragmatopian) from London, United Kingdom, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Foto: Luftbild Windsor Castle
Windsor_Castle_from_the_air.jpg: Mark S Joblingderivative work: Hchc2009 (Diskussion), CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons

Foto: Fenster mit gotischem Spitzbogen
Fernando Losada Rodríguez, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Foto: Reiterstandbild
chuck624 from Upstate NY, USA, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons